Eiweiße sind also Ketten aus Aminosäuren (Polypeptide). Sie treten selten als gestreckte Kettenmoleküle auf wie z.B. in Haaren, Sehnen oder inneren Zellstrukturen. Die überwiegende Zahl der Eiweiße ist globulärer Natur. Das bedeutet, dass die mehr oder weniger gefaltetete Polypeptidkette eine räumliche Struktur mit kugelförmiger oder elliptischer Oberfläche aufweist. Die räumliche Gestalt dieser Oberfläche mit Gruben und Erhöhungen ist von größter Bedeutung für das Verhalten dieser Moleküle im biologischen Geschehen. Sie bildet die räumliche Voraussetzung für alle molekularen Wechselwirkungen, die darauf beruhen, dass komplementäre räumliche Ladungsmuster nach dem erwähnten Schlüssel-Schloss-Prinzip miteinander reagieren können.
Die räumliche Faltung der Peptidketten wird ganz wesentlich durch die Sequenz der Aminosäuren und deren Seitenketten, Restladungen, Van-der-Waals-Kräften und der Bildung von Wasserstoffbrücken zwischen den Kettenanteilen, also durch intramolekulare Wechselwirkungen, bestimmt. So kann man bereits erahnen, dass ein direkter Zusammenhang zwischen unterschiedlichem genetischen Kode, resultierender Aminosäuresequenz, der daraus folgenden Faltung der Eiweißmoleküle sowie den Wechselwirkungsmöglichkeiten mit anderen Molekülen besteht. Wir werden im Weiteren sehen, dass hier in vielen Fällen der Schlüssel für die individuellen molekularen sowie funktionellen Unterschiede zwischen den Individuen begründet liegt.
Bei den Eiweißen handelt es sich nicht um Moleküle mit einer starren Struktur. Was ihre Struktur anbetrifft, sind sie vielmehr hochdynamisch und damit auch funktionell dynamisch wandelbar. Dies betrifft die Abhängigkeit der funktionellen Ausprägung vom umgebenden Milieu und der Wechelwirkung mit anderen Mikro- und Makromolekülen. Dieszüglich könnte man von einer dynamischen molekularen Vielfalt sprechen, die nicht nur in statischen Unterschieden von Individuum zu Individuum zum Ausdruck kommt, sondern auch gleichzeitig einen zeitabhängigen Zustand in einem einzelnen Individuum beschreibt. Ein Drittel aller Eiweiße sind Enzyme, also Biokatalysatoren, die die Dynamik des Stoffwechsels bewerkstelligen. Eiweiße können als strukturbildende Proteine, als lösliche Moleküle in der Zelle oder der Zirkulation (Blut, Lymphe) vorkommen oder als Oberflächenmoleküle außen oder innen in die Zellmembran eingelagert sein oder die Zellmembran vollständig durchdringen, so dass sich der eine Teil in der Zelle und der andere im extrazellulären Raum befindet. Diese Moleküle haben die Aufgabe, den Informationsaustausch zwischen den Zellen des Gewebes zu gewährleisten, auf Milieuänderungen zu reagieren oder den Stoffaustausch zwischen Zellen und ihrer Mikroumwelt zu steuern.
An dieser Stelle soll noch einmal darauf hingewiesen werden, dass es sich bei den meisten hier besprochenen Eiweißen nicht um „pure“ Proteine handelt, die also nur aus Aminosäuren bestehen, sondern meist um Proteine mit verschiedenen Zuckerresten (Glykoproteine) oder anderen Begleitkomponenten wie Fetten (Lipoproteine), die stark zur molekularen Individualität beitragen können (Musterbeispiel Blut- und Gewebegruppen).
Fazit: Eiweiße sind Ketten aus Aminosäuren (Polypeptide). Obwohl es auch langgestreckte Moleküle gibt, handelt es sich bei den meisten Eiweißen um globuläre Strukturen. Die Polypeptidketten sind mehr oder weniger gefaltet und bilden Erhebungen und Gruben, deren räumliche Vielfalt erst die Möglichkeit zu spezifischen Reaktionen mit komplementären Strukturen schafft. Viele dieser Strukturen sind individualspezifisch. Andere tragen als Komponenten der Zellmembran zur Zell-Zell-Kooperation bei oder sind an der Fremd-Selbst-Unterscheidung beteiligt. Etwa ein Drittel aller Eiweiße sind Enzyme („Biokatalysatoren“).